Das Kendama

 

Das Kendama ist ein japanisches Geschicklichkeitsspiel. Es ähnelt dem französischen Bilboquet, dem spanischen Balero, im englischsprachigen Raum wird es auch ball-in-a-cup genannt. Trotz einer Vielzahl an Varianten, ist das Spielprinzip, einen an einer Schnur befestigten Gegenstand mit einem Stock oder einer Schale aufzufangen, stets das Selbe. Das japanische Kendama unterscheidet sich dadurch, dass es durch seinen Aufbau eine weit größere Anzahl an Trickmöglichkeiten bietet.

Es besteht aus einer Holzkugel (jap.: dama), die über eine Schnur an einem schwertförmigen Holzgriff (jap.: ken) befestigt ist. Der Holzgriff weist drei Teller unterschiedlicher Größe auf, in denen die Kugel gefangen werden kann. Mit dem oberen, spitzen Ende kann die Kugel außerdem im dafür vorgesehenen Loch aufgespießt werden.

 

Die Geschichte des Kendama

Das bei den Inuit überlieferte „Pommawonga" (Spieß den Fisch auf) zählt zu den ältesten bekannten Versionen. Die Inuit fertigten ihre Version aus den Knochen erlegter Tiere. Vermutlich wurden sie ursprünglich bei Jagdritualen als Zeremonialgegenstände verwendet, beispielsweise um über den Ausgang der Jagd ein Orakel zu befragen. Bei den Indianern Nordamerikas war ein Geschicklichkeitsspiel ähnlich dem Kendama als Glücksspiel verbreitet. Über den Ursprung des heutigen Kendama gibt es viele Theorie, aber bis heute ist die historische Forschung nicht zu einem eindeutigen Ergebnis gelangt. Durch historische Quellen nachweislich belegt ist jedoch die Tatsache, dass das Kendama bereits im 16. Jahrhundert in Frankreich unter dem Namen „Bilboquet" am Hofe Heinrich des 3. ein beliebtes Freizeitvergnügen war. Im Tagebuch eines Adligen heißt es etwa, dass „sich im Sommer 1585, die Kinder in den Straßen mit dem Bilboquet vergnügen." Man nimmt heute an, dass sich im Laufe der Geschichte ausgehend vom „Bilboquet" die heute vorliegende Vielfalt an Kendamas entwickelt hat. In Europa erlebte das Kendama in der zweiten Hälfte des 19. und in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts seine erste Blütezeit.

Das japanische Kendama

Obwohl bereits die Ainu, Ureinwohner Nordjapans, eine eigene Variante des Kendama erfunden hatten, geht die heutige japanische Version vermutlich auf einen europäischen Import zurück. Man nimmt an, dass das Kendama etwa um 1777/78 während der Edo-Zeit (1603-1868) über die Seidenstraße nach Nagasaki kam, der einzigen japanischen Stadt, die in dieser Epoche für den Außenhandel geöffnet war. In seinem „Abriss über vergnügliche und lustige Spiele" aus dem Jahre 1830 beschreibt Kita Muranobu das Kendamaspiel. Mit dem so genannten „sukuitamaken" (Löffelkendama), musste man die Kugel innerhalb von fünf bzw. drei Versuchen mindestens einmal im Teller fangen um zu gewinnen. Derartige Spiele waren als gesellige Trinkspiele in den Freudenvierteln der Edo-Zeit in Japan weit verbreitet. Reihum versuchte man die Kugel zu fangen und wer es nicht schaffte, musste trinken.

In der Meiji-Zeit (1868 - 1912) war das Kendama als Zeitvertreib vor allem bei Frauen beliebt. 1876 wurde es im „Girls' Own Book of Amusement" als „sakazukioyobidama" (Sakeschale und Kugel) erwähnt. Das Buch berichtete über die neusten Trends aus Europa. Im gleichen Jahr erscheint das Kendama auch erstmals in einem Bericht zur Kindererziehung des Bildungsministeriums. In der Meiji-Zeit erfreute es sich also auch unter jungen Leuten zunehmend größerer Beliebtheit und entwickelte sich so von einem Trinkspiel für Erwachsene, hin zu einem Geschicklichkeitsspiel für Kinder.

Das moderne Kendama

Das Kendama in seiner heutigen Form geht auf das so genannte „nichigetsuboru" („Sonne-und-Mond-Ball") zurück. Es tauchte erstmals während der Taisho-Zeit (1912-1926) auf und der Name leitet sich von der roten Kugel, die an die Sonne erinnert und den Tellern zum Fangen der Kugel, die einer Mondsichel gleichen, ab. Zwischen 1919 und 1920 entwickelte Herr Hamaji Egusa aus der Gegend von Hiroshima das Kendama der Meiji-Zeit weiter, verbesserte es und ließ seinen neuen Entwurf unter dem Namen „nichigetsuboru" registrieren. Es bestand aus einem Stiel mit angespitztem Ende an dem eine Kugel angebunden war sowie einem kleinen-, mittleren und großen Behälter zum Fangen der Kugel. Die Vorlage für das heutige Kendama war somit erfunden worden. In der damaligen Zeit wurde jedes Kendama mit einer fußgetriebenen Drehbank in kleiner Stückzahl handgefertigt. Mit der Einführung von motorgetriebenen Drehbänken steigerte sich die Produktion rasant, und das „nichigetsuboru" wurde über die lokale Ebene hinaus schnell in ganz Japan bekannt. Bereits Ende der Taisho-Zeit im Jahre 1926, konnte man in Spielzeugläden, in allen größeren Städten eine rot und eine weiß lackierte Version kaufen. Als Werbung wurden an öffentlichen Plätzen Wettkämpfe für Kinder abgehalten, bei denen es als Trophäen übergroße Kendama zu gewinnen gab. Viele der damals entwickelten Tricks sind bis heute typisch für das Kendamaspiel, wie beispielsweise „uguise"(Vögelchen), „hikôki"(Flugzeug) oder „tôdai"(Leuchturm). Sie gehören bis heute zum Standartrepertoire jedes Kendamaspielers. Außerdem wurden in der damaligen Zeit zum Rhythmus des „moshikame" (ein Trick, bei dem die Kugel in schneller Folge abwechselnd in zwei Tellern gefangen wird) von den Kindern Kendama Lieder gesungen. Obwohl bereits in der Edo-Zeit der Begriff „tamaken" (Kugelschwert) auftauchte, konnte sich der heutige Begriff „kendama"(Schwertkugel) erst nach dem ersten Weltkrieg durchsetzen. Nach dem 2.Weltkrieg geriet das Kendama zunächst in Vergessenheit, blieb jedoch als traditionelles Kinderspielzeug fester Bestandteil der meisten japanischen Haushalte. Mitte der 60er Jahre wurde es als Geschicklichkeitsspiel wieder entdeckt und diesmal von Erwachsenen, die sich in Kendamaclubs organisierten, erneut verbreitet. Sie hoben das technische Level des Kendamaspiels an, entwickelten neue Tricks und schufen so die Basis für einen neuen Boom des Kendama in der späten Nachkriegszeit. Erstmals fand eine professionelle, sportliche Auseinandersetzung mit dem Kendama statt.

 

Das Kendama heute

Im Laufe der Zeit nahm mit der Zahl der Spieler auch die Zahl der verschiedenen Tricks und der unterschiedlichen Wettkampfformen zu. Daher gründete im Jahre 1975 Issei Fujiwara die Japanische Kendama Association JKA. Er legte Normen für Größe, Form und Beschaffenheit des Kendama fest und ließ lizenzierte Kendama nach diesen Vorschriften herstellen. Des Weiteren definierte er eine Gruppe von Standardtricks, auf deren Basis er ein Regelwerk zur Graduierung, wie etwa im Judo oder Karate entwickelte. Auch für offizielle Wettkämpfe auf lokaler und nationaler Ebene schuf er die Rahmenbedingungen. Wegen seines beruflichen Hintergrunds als Kinderbuchautor engagierte er sich darüber hinaus besonders für die Popularisierung des Kendama bei Kindern und Jugendlichen. Ausgehend von diesen Neuerungen fasste das Kendama schnell in allen Alterschichten Fuß. Seit dem werden Prüfungen und alljährliche Wettkämpfe bis auf nationaler Ebene abgehalten. Unter der Schirmherrschaft des japanischen Ministeriums für Bildung, Sport und Kultur finden jedes Jahr die landesweiten Meisterschaften der Grundschüler statt. Die offiziellen Meisterschaften aller Alterklassen werden einmal jährlich von der JKA selbst ausgerichtet und stehen Kendamaspielern aus der ganzen Welt offen. Da beim Kendamaspielen eine Vielzahl von Trickkombination möglich ist, entwickelte sich in den letzten Jahren eine immer größere Freestyle Szene, die herkömmliche Tricks weiter entwickelt und Tricks aus anderen Geschicklichkeitsspielen wie etwa dem Jonglieren integriert. Dadurch erweitert sich das Spektrum der Kendamatricks beständig. In den asiatischen Ländern entwickelte sich diese noch recht junge Form des Kendama als Trendsport derzeit in rasantem Tempo. In Europa und Amerika ist die japanische Version des Kendama erst in den letzten Jahren bekannt geworden, erfreut sich seither aber zunehmender Beliebtheit. Eine stetig wachsende internationale Community tauscht sich im Internet über Funsport Foren und Videoportale aus und bereichert das Kendamaspiel mit einer Vielzahl neuer Tricks, die in kurzen Videos, den so genannten „Kendama Edits" vorgeführt werden. 2008 wurde durch die Britisch Kendama Association (BKA) in England die erste europäische Kendama Meisterschaft abgehalten und für April 2009 ist eine Neuauflage in Zusammenarbeit mit der JKA bereits in Planung. Betrachtet man die aktuelle Entwicklung, kann man durchaus von einem neuen, „internationalen" Boom des Kendama sprechen.